Salzgitter sendet lautes Signal - Industriejobs müssen gesichert und Sozialstaat verteidigt werden

Mit einer kraftvollen Kundgebung hat die IG Metall in Salzgitter ein deutliches Signal gegen den drohenden industriellen Kahlschlag und für die Sicherung industrieller Arbeitsplätze gesetzt.

Am Mikro: Thorsten Gröger, IG Metall-Bezirksleiter

10. Dezember 2025 10. Dezember 2025


Rund 1.800 Beschäftigte aus Stahl-, Automobil- und anderen Industriebetrieben – und vor allem akut von MAN - versammelten sich am Mittwoch vor dem Werktor des Nutzfahrzeugherstellers, um gemeinsam ein Zeichen zu setzen: für Arbeit, Zukunft und soziale Sicherheit.

„Hier in Salzgitter schlägt das industrielle Herz Deutschlands – und dieses Herz darf nicht stillstehen“, sagte Thorsten Gröger, Bezirksleiter der IG Metall Niedersachsen und Sachsen-Anhalt. „Jeden Monat verschwinden in Deutschland rund 10.000 Industriearbeitsplätze. Das ist kein Strukturwandel, das ist ein Substanzverlust. Ganze Regionen verlieren ihre Grundlage, während die Politik in Berlin im Klein-Klein verharrt.“


IG Metall, Protest Salzgitter 10.12.2025

Immer wieder würden Beschäftigte und Gewerkschaften als vermeintliche Hemmnisse dargestellt – dabei, so erinnert der Metaller, waren es gerade die Belegschaften und die IG Metall, die bereits im Jahr 2022 einen Industriestrompreis gefordert haben, der nun endlich Realität werden könnte. Sie hätten früh erkannt, dass wettbewerbsfähige Energiepreise eine zentrale Voraussetzung für den Erhalt industrieller Wertschöpfung und Arbeitsplätze sind. Ähnliches ist bei wichtigen Feldern wie der Förderung von E-Autos oder der Verlängerungen des Kurzarbeitergeldes erkennbar. „Wir haben kein Erkenntnisproblem – wir haben ein Handlungsproblem der Politik!“, bringt es Gröger pointiert auf den Punkt.

Der Bezirksleiter warnt in Salzgitter davor, dass Deutschland seinen Charakter als Industrieland zu verlieren drohe. „Wir waren nie das Land der Billiglöhne – wir waren das Land der besten Produkte, des besten Handwerks, der besten Fachkräfte. Und genau da müssen wir wieder zurück. Es muss dafür Sorge getragen werden, dass man Produzent der Zukunft bleibe und nicht nur ihr Abnehmer und Importeur. Dabei ginge es auch um Fragen von Resilienz und Souveränität“ Für Salzgitter gäbe es viele Chancen die Zukunft zu gestalten: Ob in der Batteriezellfertigung, dem grünen Stahl oder anderen Zukunftsfeldern rund um Halbleiter oder Zykluswirtschaft.

Auch die Arbeitgeber nimmt die IG Metall unmissverständlich in die Pflicht: „Viele Unternehmen haben jahrelang von der Vergangenheit gelebt. Teilweise auskömmlich. Sie haben massiv Dividenden ausgeschüttet statt zu investieren. Jetzt, wo es eng wird, rufen sie nach Staatshilfen. Ich sage klar: Wer Förderung will, muss Verantwortung übernehmen – für Beschäftigung, für Standorte, für Tarifbindung. Alles andere ist Selbstbedienung auf Kosten der Gemeinschaft. Daher: Staatsgelder nur gegen Zusagen!“


Salzgitter ist derweil Schauplatz diverser Konflikte: In der Stahlindustrie konnte zuletzt ein verantwortungsvoller Tarifabschluss erzielt werden. Nun braucht es entschlossene politische Unterstützung: für CO₂-armen Stahl, für die Dekarbonisierung und für grüne Leitmärkte, die heimische Produktion stärken statt schwächen. Bei PowerCo, der Batterietochter von Volkswagen, kämpfen die Beschäftigten nach fast zehn Verhandlungsrunden weiter für Sicherheit. Dass der Konzern sich weigert, verbindliche Beschäftigungszusagen zu geben, ist ein Skandal – insbesondere da die Arbeitgeberseite von den Beschäftigten entsprechende Verzichte erwartet. Ausgerechnet in einem Zukunftssektor, der ohne qualifizierte Fachkräfte gar nicht funktionieren kann. Und bei MAN droht ein weiterer Schlag: Fertigungslinien sollen ins Ausland verlagert, Hunderte Arbeitsplätze dadurch bedroht werden – unter dem Deckmantel der Effizienz. In Wahrheit ist es ein kalter Strukturabbau.

Markus Hulm, Zweiter Bevollmächtigter der IG Metall Salzgitter-Peine, unterstrich in Salzgitter die Bedeutung sozialer Sicherheit und Mitbestimmung für den wirtschaftlichen Erfolg. „Deutschland war stark, weil Menschen hier in Sicherheit arbeiten konnten. Weil sie wussten: Wenn Wandel kommt, stehen sie nicht allein da. Sicherheit ist kein Luxus – sie ist die Voraussetzung für Mut, Innovation und Fortschritt.“

Hulm kritisierte scharf die jüngsten Vorschläge aus Arbeitgeberkreisen nach längeren Arbeitszeiten, einem höheren Renteneintrittsalter und einer Kürzung der Lohnfortzahlung im Krankheitsfall. „Das wird als gute Reform verkauft, ist aber in Wahrheit ein Angriff auf den Sozialstaat und auf die Menschen, die dieses Land tagtäglich am Laufen halten. Wer so redet, greift nicht nur die soziale Gerechtigkeit an, sondern sägt auch am Fundament wirtschaftlicher Stabilität und hat keinen Plan, was Schichtarbeit mit Menschen macht. Denn ein Land, in dem Beschäftigte um ihre Gesundheit, ihre Freizeit und ihre Altersvorsorge fürchten müssen, verliert Motivation, Vertrauen und Innovationskraft. Wer Angst hat, kann keine Zukunft gestalten.“

Mit Blick auf die regionale Entwicklung mahnte Metaller Hulm entschlossene politische Schritte an, um die Energiepreise nachhaltig zu senken und die Wettbewerbsfähigkeit der industriellen Kernbranchen zu sichern. Er warnte davor, dass ohne ein verlässliches und planbares Rahmenwerk zentrale Produktionsstandorte und damit auch hochwertige Arbeitsplätze gefährdet seien. „Wir benötigen endlich langfristig kalkulierbare Energiepreise, faire Bedingungen im internationalen Wettbewerb und eine klare strategische Priorität für die heimische Wertschöpfung. Wer heute in den Industriestandort Salzgitter investiert und ihn schützt, der sichert nicht nur regionale Stärke, sondern auch das industrielle Fundament der gesamten Bundesrepublik. Unsere Zukunft als Wirtschafts- und Technologiestandort entscheidet sich dort, wo Produktion, Innovation und Energiepolitik zusammenfinden.“

Die IG Metall erneuerte in Salzgitter ihre zentralen industriepolitischen Forderungen:

  • Einen Industriestrompreis von fünf Cent pro Kilowattstunde ab Januar 2026, gebunden an Beschäftigung und Standortgarantien.
  • Eine aktive Industriepolitik, die Stahl, Maschinenbau und Automobilproduktion sowie Zukunftsfelder wie Batterie und Halbleiter als Schlüsselbranchen behandelt.
  • Local-Content-Strategien, damit öffentliche Aufträge an europäische Produktion und Tarifbindung gekoppelt werden.
  • Keine Fördermittel für Konzerne, die Standorte schließen oder Arbeitsplätze abbauen.
  • Stärkung des Sozialstaats, um Wandel sozial abzusichern.
Warnstreik bei Renk
Online-Petition
Stopp JETZT den Kahlschlag! Keine Axt an Arbeitsplätze, Sozialstaat und Zukunft!

Der Herbst der Ankündigungen darf nicht zum Winter der Entlassungen werden – für verlässliche Industriepolitik, sichere Arbeitsplätze und eine faire Zukunft.